Religion und Natur,  S-I-N

2-4-16 SIN. Der Hamadryas [Mantelpavian]

Französisches Buch von Loisel[1]Histoire des ménageries de l’antiquité à nos jours [Die Geschichte der Ménagerien von der Antike bis in unsere Zeit]“, Paris 1912: Entstehung des Zoos aus dem Raubtierkult.

Der Hamadryas [Mantelpavian]

In hieroglyphischen Aufzeichnungen der Ägypter finden sich des Öfteren Darstellungen von Hamadryas-Affen, mit der Bezeichnung an, anin, anan, was in exakter Übersetzung “Nachahmender, Imitierender” bedeutet. Die Darstellungen dieses Tieres sind auch Bestandteil von Worten, die für Darstellen, Nacheifern, Zeichnen, Beschreiben, den Nachahmer, Maler, Schreiber, für Schreibtafel oder Brief stehen. In astronomischen Darstellungen, die gewöhnlich in den Kuppelgewölben der Tempel angebracht sind, wird der Hamadryas immer in Beziehung zum Mond abgebildet. Manchmal stellt sein Abbild direkt die Mondsichel als Leuchtkörper dar, manchmal erfolgt die Darstellung aufrecht, mit erhobenen Armen, die den aufgehenden Mond begrüßen. Der sitzende Mantelpavian verkörpert die Tag-und-Nacht-Gleiche. Der uns durch die Übertragung des Philippos ins Griechische bekannte Horapollon bezeugt, “Schrift“ hätten die Ägypter in den Hieroglyphen durch das Bild eines Hamadryas ausgedrückt, weil sie der Ansicht gewesen seien, dass eine gewisse Art derselben schriftkundig gewesen sei, und dass infolge der Kenntnis der Buchstaben sie, die Ägypter, mit jenen, den Affen, verwandt seien. Man habe in den Tempeln solche Tiere gehalten, und jedes Mal, wenn ein neuer Hamadryas in den Tempel eingeführt worden, habe ihm der Priester Schreibtafel, Tinte und Feder gereicht, damit er durch das, was er auf die Tafel schreibt, den Beweis liefere, ob er zu jener Art gehöre und zur Aufnahme berechtige. Aus denselben Gründen sei auch der Hamadryas dem Merkur, dem Urheber aller Wissenschaft, geheiligt gewesen.

Archäologische Ausgrabungen haben nachgewiesen, dass Paviane als heilige Tiere an Tempeln gehalten und nach ihrem Tod balsamiert wurden. Geweiht waren sie dem Thot (Hermes), als Gottheit des Mondes, und auch als Schutzherrn der Schrift und jeglicher Wissenschaft. Daher wurden sie insbesondere beim Tempel von Hermopolis gehalten. Horapollon verweist auch auf eine erstaunliche Wirkung des Mondes auf den Hamadryas, “indem der männliche Hamadryas von Trauer erfüllt werde über den Verlust des Mondes, sich um jene Zeit verberge und keine Nahrung zu sich nehmen wolle, und indem man an dem Weibchen zu eben jener Zeit einen regelmäßigen Blutfluss wahrgenommen habe. Beides sei ebenfalls Veranlassung gewesen, dass man diese Tiere in den Tempeln gehalten habe, um durch sie die Zeit, in welcher Sonne und Mond in Konjunktion stehen, zu ermitteln. Die Tag-und Nachtgleichen hätte man ebenfalls durch einen sitzenden Hamadryas ausgedrückt, und infolge des häufigen und regelmäßigen Wasserabschlagens, welches man um diese Zeit an dem Mantelpaviane beobachtet, sei man auf die Erfindung der Wasseruhren [Klepsydra] und die Einteilung des Tages und der Nacht in zwölf gleiche Teile gebracht worden. Trismegistos, wird dann weiter erzählt, habe, als er in Ägypten gewesen, die obige Wahrnehmung in Betreff des zwölfmaligen, in gleichen Zeitabständen erfolgenden Wasserabschlagens an dem Hamadryas gemacht; dies habe ihn auf die Erfindung eines Werkzeuges geführt, welches ein Gleiches getan, und daher stamme die Einteilung des Tages in zwölf Stunden. (A. E. Brehm: “Das Leben der Tiere”, Berlin 1920, S. 68 – 70)

zitiert nach: Brehm, Alfred Edmund: Menschenaffen, Weltgeist-Bücher Verlagsgesellschaft m.b.H. Berlin, 1920, S. 24 f.)

Folglich: der Mantelpavian wird als heiliges Tier beim Tempel gehalten, und dies gibt den Anlass und die Möglichkeit zu seiner Beobachtung. Man bemerkt seine Verbindung zum Mond und die Regelmäßigkeit seines Harndrangs. Daraufhin ahmt man diese offenbar ja heiligen Eigenschaften des Mantelpavians nach: Die Einteilung des Tages in zwölf Stunden wird festgelegt, die Klepsydra erfunden, die Darstellung des Mantelpavians wird zur Hieroglyphe. Es werden weitere Affen aufgeführt, die Haustiere waren (ebenda, S. 70 [dt. Quelle: S. 23], so der Kafuaffe, d.h. Babuin [Steppenpavian], ägyptischer Herkunft, im Sanskritischen und Malabarischen ‘Kapi’ ausgesprochen, was dem hebräischen ‘Kof’ entspricht (S. 69 [dt. S. 23]).


[1] Gustave Loisel (1864 – 1933), französischer Zoologe

Brehms Thierleben (Online)

»Aus der Ordnung der Affen finden wir und zwar in zahlreichen Beispielen den Mantelpavian oder Hamadryas und den Babuin abgebildet. Selten, aber doch einige Male kommen beide Meerkatzen des Ostsudân, Nisnâs und Abulandj der heutigen Araber, vor. In den Wandgemälden der Grabkapellen, welche dem Todtenacker des alten Memphis angehören, in den Felsengräbern von Beni-Hassan, in der thebanischen Nekropolis und anderen Grabdenkmälern begegnen uns Darstellungen des erstgenannten Affen, ebenso auf Tempelwänden. Doch sehen wir hier fast immer nur das Männchen, dessen Bedeutung hier stets eine mythologische ist und zwar meistens in Beziehung zum Monde steht, natürlich abgesehen davon, wo das Bild desselben in den Inschriften der Tempel als einfaches Schriftzeichen von mancherlei Bedeutung erscheint. Ganz allerliebst, mitunter geradezu meisterhaft ausgeführt sind die kleinen aus verschiedenen Steinen geschnittenen Figuren, einen sitzenden Hamadryas darstellend, von denen man in allen egyptischen Museen Europas mehrfache Stücke findet. Da weder der Hamadryas noch der Babuin in Egypten heimisch sind, und ebensowenig die beiden Meerkatzen der Thierwelt des unteren Nillandes angehören, sind wir durch das Vorkommen derselben schon aus solchen Denkmälern, welche theils noch aus den ältesten Zeiten, theils aus dem Mittelalter des altegyptischen Reiches herrühren, zu dem Schlusse berechtigt, daß bereits in jenen Urzeiten der Geschichte, aus denen die gedachten Denkmäler stammen, ein Verkehr zwischen Egypten und dem Heimatslande unserer vier Affenarten bestanden haben muß. Und weiter schließen wir, daß dieser Verkehr wohl damals schon vorzugsweise durch die Schiffahrt auf dem Rothen Meere vermittelt worden sein wird, wie das denn auch in der That einzelne Tempelinschriften geschichtlichen Inhalts, auf welche wir später noch näher zurückkommen werden, zu bestätigen scheinen. Das Vorkommen unseres Affen auf den ältesten egyptischen Denkmälern liefert also mehrmals den Beweis von einer uralten Verbindung Egyptens mit dem fernen Süden und Südosten und von einer vielleicht schon im dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung stattgehabten Schiffahrt auf dem Rothen Meere. Daß dasselbe wenigstens im siebzehnten Jahrhundert v. Chr. bereits in einer gewissen Großartigkeit bestanden, stellt ein Werk von mir: »Die Flotte einer egyptischen Königin«, außer allen Zweifel.

»Was nun insbesondere die erste der vier auf den Denkmälern abgebildeten Affenarten, eben unseren Mantelpavian, betrifft, so lautet die hieroglyphische Schreibung desselben: An, Anin, Anan, Anân, welche Bezeichnung, wenn man sie wörtlich übersetzen wollte, so viel bedeutet als Nachahmer, Nachäffer, weshalb denn auch dieses Wort mit dem gleichbedeutenden »Uten«, einer anderen Benennung des Hamadryas, ganz allgemein für alle Affenarten in den Inschriften gebraucht wird. Wir haben demgemäß in dem altegyptischen Anin oder Annin besser ganz dieselbe Ableitung wie in unserem Worte: Affe; denn es dürfte wohl keinem Zweifel unterliegen, daß das in Rede stehende herzuleiten ist von der Wurzel An mit der Grundbedeutung, einen Gegenstand durch Nachahmung in irgend einer Weise durch Bild oder Wort darstellen, woraus denn, durchaus dem Geiste des altegyptischen Sprachbaues entsprechend, alle jene scheinbar so verschiedenen, aber nichtsdestoweniger sämmtlich auf die angegebene Wurzel zurückgehenden Bedeutungen entstanden, in denen nun das Wort je nach dem Zusammenhange und je nach dem Determinitiv, d. h. demjenigen Zeichen, welches gleichsam als eine Erklärung und nähere Bestimmung der voranstehenden Wurzel noch angefügt wird, in den Inschriften erscheint als Nachbilden, Nachahmen, Nachahmer, Malen, Maler, Beschreiben, Schreiber, Schreibtafel, Schrift. Bemerkenswerth ist, daß in der späteren Zeit unter der Ptolemäerherrschaft, wo man sich mit den Bilderschriftzeichen allerlei Schreibspielereien erlaubte, in den Inschriften zuweilen geradezu das Bild eines sitzenden Mantelpavians, welcher den Griffel oder die Rohrfeder in der rechten Hand hält, für das Wort Schreiben, Schreiber, Schrift, eintritt. Noch glaube ich hier nicht unerwähnt lassen zu dürfen eine in Betreff der Unterscheidung und Namensfeststellung des Hamadryas oder Babuin äußerst lehrreiche Abbildung an einer Wand des oberegyptischen Terrassentempels, des von Teïr el Bahheri, auf der Westseite von Theben, in welcher uns eine im siebzehnten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung von Egypten aus nach Arabien unternommene Seereise vorgeführt wird. In meiner »Flotte einer egyptischen Königin« habe ich diese geschichtlich wichtige Darstellung zur Mittheilung gebracht, und gibt uns Tafel 2 derselben die Belastung der egyptischen Flotte mit den fremdländischen Erzeugnissen. Die alten Egypter versäumten es selten, ihre Wandgemälde durch hieroglyphische Beischriften noch besonders zu erläutern; so finden wir denn auch eben zur Seite der Schiffe eine Erklärung, in welcher uns unter anderem ein sorgfältiges Verzeichnis der Schifferladungen, gewissermaßen der Frachtbrief, gegeben wird. Diese Inschrift lautet in wörtlicher Uebersetzung: Das Belasten der Schiffe mit einer großen Menge von Kostbarkeiten des Landes Arabien, allerlei wohlriechenden Hölzern, Haufen von Weihrauchharz, mit grünenden Weihrauchbäumen (man sieht, wie dieselben, in Holzkübel gepflanzt, von je sechs Männern auf die Schiffe getragen werden), mit Ebenholz, mit reinem Elfenbein, mit Gold und Silber aus dem Lande der Hirten, mit dem kostbaren Taschepholze und Kassiarinde, mit Ahemweihrauch und Mestemschminke, mit Ananaffen (Hamadryas), Kafuaffen (Babuin) und Tasemthieren (Wüstenluchsen), mit Fellen von Panthern des Südens, mit Weibern und ihren Kindern. Niemals ist eine Zufuhr gemacht worden gleich dieser von irgend einem Könige seit Erschaffung der Welt.

»Die meisterhafte Vollendung in der Ausführung dieser Wandskulpturen und die überraschende treue Nachbildung der beiden Affen, welche den Worten »Anan« und »Kafu« hier nachgesetzt sind, stellen es außer Zweifel, daß wir in dem Anan den Hamadryas und in dem Kafu den Babuin vor uns haben. Das alte egyptische Kafu ist übrigens, was Beachtung verdient, kein egyptisches Wort, sondern wohl dem Indischen entlehnt, wo es im Sanskrit und Malabarischen als »Kapi« erscheint, und offenbar ist aus ihm das hebräische »Kof« entstanden. Dieser Kafu der heiligen Inschriften, der »Kof« der Bibel, welcher gelegentlich einer salomonischen Ophirfahrt erwähnt wird, ist also, wie die oben besprochene Tempelinschrift den klaren Beweis liefert, der Babuin, und nicht, wie man bisher angenommen, der Hamadryas. Die hieroglyphischen Bezeichnungen für die übrigen Arten, die Meerkatzen nämlich, wage ich mit Bestimmtheit nicht anzugeben, da in den wenigen Darstellungen, welche mir von diesen Thieren bekannt sind, die Beischrift fehlt. Der Name mag in einem von jenen Worten stecken, welche gelegentlich zur Bezeichnung des Affen in den Inschriften gebraucht wurden.

»In dem zweifellos auf altegyptische Quellen zurückkehrenden Werke des Hieroglyphenerklärers Horopollon, welches uns in der griechischen Uebersetzung eines gewissen Philippus erhalten worden ist, wird in Bezug auf den Hamadryas unter anderem gesagt: Schrift hätten die Egypter in den Hieroglyphen durch das Bild eines Hamadryas ausgedrückt, weil sie der Ansicht gewesen, daß eine gewisse Art derselben diese gekannt, und daß wegen der Kenntnis der Buchstaben sie, die Egypter, mit jenen, den Affen, verwandt seien. Man habe in den Tempeln gedachte Thiere gehalten, und jedesmal, wenn ein Hamadryas in den Tempel eingeführt worden, habe ihm der Priester Schreibtafel, Dinte und Feder gereicht, damit er durch das, was er auf die Tafel schriebe, den Beweis liefere, ob er zu jener Art gehöre und zur Aufnahme berechtige. Aus denselben Gründen sei auch der Hamadryas dem Merkur, dem Urheber aller Wissenschaft, geheiligt gewesen.

»In diesem Ausspruche Horopollons liegt viel wahres. Die Forschung hat bestätigt, daß zu den von den alten Egyptern in den Tempeln heilig gehaltenen Thieren, welche nach ihrem Tode einbalsamirt wurden, und von denen mehrfach Mumien gefunden worden sind, auch der Hamadryas gehörte. Wir wissen, daß derselbe insbesondere dem Gotte Thoth (Hermes) in seiner Auffassung als Herr der Schrift und aller Wissenschaft wie in seiner Auffassung als Mondgott geweiht war, und daß er in verschiedenen Tempeln, namentlich in Hermopolis gehalten wurde. Die egyptischen Priester, dieses Thieres Klugheit erkennend, werden es gewiß nicht verabsäumt haben, demselben allerlei überraschende Kunststücke beizubringen, unter anderem auch das, auf eine Schreibtafel einzelne Zeichen zu malen, welche dann als hieroglyphische ausgegeben worden sein mögen, und es dürfte hiermit vielleicht das vorerwähnte, in den Inschriften sich findende Bild eines schreibenden Mantelpavians zusammenhängen. Weiter wird im Horopollon erzählt, daß man zur Bezeichnung des Mondes das Bild eines Mantelpavians gemalt habe, weil der wunderbare Einfluß jenes Gestirns auf unser Thier beobachtet worden sei, indem der männliche Hamadryas von Trauer erfüllt werde über den Verlust des Mondes, sich um jene Zeit verberge und keine Nahrung zu sich nehmen wolle, und indem man an dem Weibchen zu eben jener Zeit einen regelmäßigen Blutfluß wahrgenommen habe. Beides sei ebenfalls Veranlassung gewesen, daß man diese Thiere in den Tempeln gehalten habe, um durch sie die Zeit, in welcher Sonne und Mond in Konjunktion stehen, zu erkennen. Die Tag- und Nachtgleichen hätte man ebenfalls durch einen sitzenden Hamadryas ausgedrückt, und infolge des häufigen und regelmäßigen Wasserabschlagens, welches man um diese Zeit an dem Mantelpavian beobachtet, sei man auf die Erfindung der Wasseruhren und die Eintheilung des Tages und der Nacht in je zwölf gleiche Theile geführt worden. Trismegistus, wird dann weiter erzählt, habe, als er in Egypten gewesen, obige Wahrnehmung in Betreff des zwölfmaligen, in gleichen Zeitabständen erfolgenden Wasserabschlagens an dem Hamadryas gemacht; dies habe ihn auf die Erfindung eines Werkzeuges geführt, welches ein Gleiches gethan, und daher stamme die Eintheilung des Tages in zwölf Stunden.

»Auch in allen diesen Aussprüchen liegt wiederum viel wahres. In den astronomischen Darstellungen, welche zumeist an den Decken der Tempel angebracht sind, wird der Mantelpavian in deutlichste Beziehung zum Monde gesetzt. Bald tritt er zur Bezeichnung des Mondes selbst ein, bald erscheint er in aufrechter Stellung mit erhobenen Händen, in freudiger Erregung den aufgehenden Mond begrüßend, und ebenso wird das Bild eines sitzenden Hamadryas zur Bezeichnung der Tag- und Nachtgleichen gebraucht. Wie weit nun diesen Auffassungen eine richtige Naturbeobachtung von Seiten der alten Egypter zu Grunde liegt, was es mit dem Einflusse des Mondes auf den Hamadryas, mit der Freude über dessen Wiedererscheinung, mit der Trauer des Männchens und seinem Verstecken, wenn er des Mondlichtes beraubt ist, mit dem Blutflusse des Weibchens zu eben jener Zeit, mit dem häufigen und regelmäßigen Wasserabschlagen dieser Affenarten, was es mit alledem für eine Bewandnis habe: darauf zu antworten, kommt nicht der Alterthums-, sondern der Naturkunde zu.

Quelle

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