Philosoph und Theologe in dunkler Zeit (Dr. Bernd Groth)
Grundzüge des religionsphilosophischen Denkens von Pavel Florenskij (1882-1937)
Ein Vortrag des Übersetzers von „Säule und Sockel der Wahrheit“, Herrn Dr. Bernd Groth, gehalten im August 2015 an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.
Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde der russischen Religionsphilosophie!
Im Juli 1998 begann der SWR eine Sendung über Pavel Florenskij mit folgenden Worten: „Die Nachrichten über Russland können manchmal vergessen lassen, dass dort auch um den Erhalt der Kultur, um die Bewahrung der spirituellen Traditionen gerungen wird. Wer sich nach diesem Erbe erkundigt, wer danach fragt: »Wovon lebt das geistige Russland heute?«, wird auf den Namen Pavel Florenskij stoßen.“[1]
Beginnt man, sich mit Leben und Werk Pavel Florenskijs zu beschäftigen, stellt man überraschend fest, dass man es mit einer Persönlichkeit zu tun hat, die wie kaum eine andere, auf völlig gegensätzliche Beurteilung stößt. Auf der einen Seite begegnet man hymnischen Preisungen und Superlativen, wie „Leonardo da Vinci des 20. Jahrhunderts“, überaus gebildet und gelehrt, eine „Kultfigur“ für die einen; auf der anderen Seite eine skurrile danteske Person, die in der westlichen Wissenschaft keine Resonanz gefunden habe wegen ihrer Fremdartigkeit (in Bezug auf ihre östlich-orthodoxe Denktradition), wegen des Unzeitgemäßen ihrer geistigen Einstellung (in Bezug auf ein mittelalterlich-ganzheitliches Weltbild) und wegen der Gegenmoderne ihres Denkens (Antirationalismus), so nach Meinung von Michael Hagemeister. Florenskij provoziert gegensätzliche Reaktionen. Worin liegen die Gründe zu solchen gegensätzlichen und widersprüchlichen Reaktionen? Meine Antwort: Es die für einen heutigen Leser extrem schwierige Lektüre seines philosophischen und theologischen Hauptwerkes. Florenskij setzt bei seinem Leser eine enorme Bildung voraus, die sein Leserkreis von 1914, an den er sich wandte, noch besaß, die man bei einem modernen gebildeten Leser aber gewöhnlich nicht mehr voraussetzen kann. Damit hängt meines Erachtens auch die von Michael Hagemeister diagnostizierte geringe Rezeption seines Werkes zusammen.
In meinem Vortrag will ich die folgende These darlegen: Florenskijs Werk ist das einzigartige, repräsentative Beispiel für den Symbolismus der russischen Philosophie, und zwar in deutlichem Unterschied zu den meisten anderen russischen religiösen Philosophen. Ich habe bereits Gustav Wetters Definition der russischen Philosophie hier (in einem anderen Vortrag!) zitiert; ich will sie noch einmal wiederholen, dass nämlich seiner Überzeugung nach „das russische Denken über weite Strecken eine Fortsetzung des griechischen Denkens mit modernem philosophischen Instrumentarium darstellt und dass diese Herkunft ihm sein spezifisches Gepräge verleiht…“.[2] Wetters Ausdruck „Fortsetzung des griechischen Denkens“ umgreift nicht nur die platonische und aristotelische Philosophie, sondern vor allem auch die hellenistische Philosophie und das Denken der griechischen Kirchenväter. Das moderne philosophische Instrumentarium beinhaltet nicht nur Kant, Fichte, Schelling, sondern auch die Anthroposophie, Goethe und Wagner.
Bei der Erläuterung meiner These will ich die Aufmerksamkeit auf Aspekte des Hauptwerkes Florenskijs richten, die gewöhnlich übersehen werden. Dies tue ich in vier Punkten:
- Eine philosophische und theologische Existenz in dunkler Zeit.
- Die Philosophie des russischen Symbolismus als Verständnisvoraussetzung.
- Das Antinomieproblem der Wahrheit.
- „Erkenntnis wird Liebe“ (Gregorios von Nyssa).
Ich beginne sogleich mit meinem ersten Punkt:
Eine philosophische und theologische Existenz in dunkler Zeit
Die letzten Jahrzehnte des 19. und die ersten des 20. Jahrhunderts bedeuten für Russland eine äußerst schwere Zeit. Wachsende soziale Probleme, die der zaristische Staat nicht in den Griff bekommt, dann als ein erstes Wetterleuchten die Revolution von 1905, der Erste Weltkrieg führt zum Untergang der zaristischen Autokratie, die Oktoberrevolution und die Errichtung des leninschen Sowjetstaates, die zur stalinschen Diktatur führt: Es ist die Lebenszeit von Florenskij.
Pavel Aleksandrovič Florenskij (1882-1937) ist Mathematiker, Physiker, Religionsphilosoph, Kunstwissenschaftler, Theologe, Dichter; vielen gilt er als das größte russische Universalgenie des 20. Jahrhunderts, als der Leonardo da Vinci des modernen Russlands. Er stammt aus dem Südkaukasus, dem heutigen Aserbaidschan, und ist der Älteste von sieben Geschwistern. Er promoviert in Mathematik und Physik an der Moskauer Universität, verzichtet jedoch auf eine Universitätskarriere und beginnt ein Studium der Philosophie und Theologie an der Moskauer Theologischen Akademie in Sergiev Posad, das während der Sowjetzeit in Zagorsk umbenannt wird. Er beendet seine Studien 1908, 1910 heiratet Anna Michailovna Giacintowa (1889-1973), aus der Ehe gehen fünf Kinder hervor, und wird 1911 zum Priester in der Orthodoxen Kirche geweiht. Er knüpft Kontakte zu den russischen Symbolisten, interessiert sich für Kunst und schreibt Gedichte. Sein geistlicher Leiter wird der Starez Isidor.
Florenskij beendet sein Theologiestudium mit einer Arbeit „Über die religiöse Wahrheit“, die zur Grundlage seines späteren Buches „Säule und Sockel der Wahrheit“ (1914) werden sollte. Er wird Dozent an der Geistlichen Akademie in Sergiev Posad und hält Vorlesungen zur antiken Philosophie (Platon vor allem), zu Kant und zur Philosophie des Kults und der Kultur. Er wird Redakteur des Bogoslovskij vestnik [Theologischer Bote]. 1913 soll er während des Ritualmordprozesses gegen Mendel Beylis in Kiew die Ritualmordbeschuldigung gegen die Juden in anonymen Artikeln unterstützt haben. 1914 publiziert er sein philosophisch-theologisches Werk unter dem Titel „Säule und Sockel der Wahrheit“. Einen tiefen Einschnitt bedeutet die „Oktoberrevolution“. Der Sowjetstaat schließt die Geistliche Akademie in Sergiev Posad, Florenskij verliert seine Professur. Er entscheidet sich dafür, mit seiner Familie in Russland zu bleiben. Er wird in verschiedene staatliche Kommissionen berufen und arbeitet in verschiedenen Institutionen in wissenschaftlich-technischen Bereichen. Als Lenin 1922 120 Professoren und Künstler des Landes verweist, ist Florenskij nicht darunter. Seine wissenschaftlich-technische Kompetenz wird zum Aufbau der Sowjetunion gebraucht. Nach Lenins Tod 1924 beginnt der Kampf um seine Nachfolge, aus dem Stalin als Sieger hervorgeht und 1927 ist er der uneingeschränkte Alleinherrscher in der Sowjetunion. 1928 wird Florenskij verhaftet und für drei Monate nach Nižnyj Novgorod verbannt. 1933 erneute Verhaftung, Verhöre und Verurteilung zu zehn Jahren Lagerhaft, die er u. a. auf den Solovki-Inseln im Weißen Meer verbringt. 1937 wird er zum Tod verurteilt und in Levašovo, in der Nähe von Leningrad (heute wieder: St. Petersburg), erschossen. 1958 erfolgt die postume Rehabilitation; aber erst 1989 wird seine Familie über das wahre Todesdatum informiert. Seit Beginn der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts lässt sich eine Florenskij-Renaissance in Russland feststellen.
Die Philosophie des russischen Symbolismus als Verständnisvoraussetzung
Martin Heidegger verweist in seiner kleinen Schrift „Was heißt Denken?“ auf einen bedeutsamen Umstand: „Jeder Denker denkt nur einen einzigen Gedanken. Auch dies unterscheidet das Denken wesentlich von den Wissenschaften“. Und er stellt betont fest: „Der Denker braucht nur einen einzigen Gedanken“ (S. 31). Was Heidegger hier vom Denker hervorhebt, gilt auch von Florenskij. In seiner Autobiographie „An meine Kinder“ schreibt er: „Ich bin immer Symbolist gewesen.“ Was er genauer darunter versteht, beschreibt er ebenfalls: „Im Grunde habe ich mein ganzes Leben lang über eines nachgedacht: über das Verhältnis von Erscheinung und Noumen, über das Auffinden des Noumens in den Phänomenen, seine Darstellung, seine Verkörperung. Es geht um die Frage nach dem Symbol. Mein ganzes Leben habe ich nur über dieses eine Problem nachgedacht, das Problem des SYMBOLS“ (S. 50). Die Kantsche Trennung von Noumena und Phänomena habe er immer mit seinem ganzen Wesen abgelehnt, und zwar auch schon zu der Zeit, als er diese Begriffe noch gar nicht kannte. In dieser Hinsicht sei er immer Platoniker gewesen. Er schreibt weiter: „Aber die Erscheinung, zweieinig, geistig-stofflich, Symbol, war mir immer teuer in ihrer Unmittelbarkeit, in ihrer Konkretheit, mit ihrem Leib und mit ihrer Seele“ (S. 51). Diesen 5. Teil seiner Autobiographie mit dem Titel „Das Besondere“ schließt er ab mit einer Bemerkung zur Wissenschaft: „An der Peripherie konnte ich hitzig und sogar fanatisch die eine oder andere wissenschaftliche Erklärung verteidigen, in meinem Herzen jedoch glaubte ich nicht an wissenschaftliche Erklärungen, ich hielt sie für bedingt (was sie auch tatsächlich sind). Ich spürte, dass ich über das andere Weltverständnis, mein Weltverständnis, nicht laut sprechen durfte, und verbarg es als Geheimnis meiner Seele … Ich schien »Wissenschaftler« zu sein, wo ich doch zuinnerst »Magier« war (S.56/7). Mit dieser persönlichen Einstellung sind eine Reihe Verstehensschwierigkeiten verbunden, die vor allem auch von Stepun herausgestellte Ambivalenz des Symbolismus betrifft auch Florenskij: das Hin- und Hergerissensein zwischen Tradition und Moderne.
Nach Lubomir Zak ist die Idee des Symbols nicht irgendein beliebiger Gedanke, sondern der Versuch, mit einem neuen begrifflichen „Instrumentarium“ seine vielfältigen Intuitionen zusammenzufassen und auszudrücken: mathematisch-geometrische Intuitionen (verbunden mit der Mengentheorie, der Idee des aktualen Unendlichen und der Idee der imaginären Größen in der Geometrie), philosophische Intuitionen (verbunden mit der platonischen Ideenlehre und der Idee des hen kai polla), philosophisch-ästhetische Intuitionen (verbunden mit seinen Forschungen auf dem Gebiet der Ikonographie), philosophisch-linguistische Intuitionen (verbunden mit der Idee des Namens und der Theorie des Wortes), theologische Intuitionen (verbunden mit der Lehre von der Vergöttlichung). In diesem „Instrumentarium“ spiegelt sich also Florenskijs Ausrichtung auf eine „konkrete Metaphysik“ wider, eine Metaphysik, die es dem Menschen erlaubt, das Wirkliche mit einem Blick zu betrachten, der a realibus ad realiora schaut (Ivanov) und in der Konsequenz dessen Antinomizität in eins zu denken, besonders dessen fundamentalste Antinomien wie Unendliches/Endliches, Absolutes/Relatives, Gott/Mensch.
In einer autobiographischen Skizze von 1924 für die Enzyklopädie des Russischen Bibliographischen Instituts GRANAT schreibt er:
„Seine Lebensaufgabe begreift F. als die Fortsetzung der Wege zu einer zukünftigen ganzheitlichen Weltanschauung. Für das Grundgesetz der Welt hält F. Das Prinzip der Thermodynamik, das das Gesetz der Entropie, der allgemeinen Nivellierung (das Chaos). Der Welt entgegen steht das Gesetz der Ektropie (der Logos). Die Kultur ist der Kampf gegen die Nivellierung der Welt, den Tod. Die Kultur (von „Kult“) ist ein organisch verbundenes System von Mitteln zur Verwirklichung und Aufdeckung eines Wertes, der als unbedingt angenommen wird und daher als Gegenstand eines Glaubens dient. Der Glaube bestimmt den Kult und der Kult das Weltverständnis, aus dem weiter die Kultur folgt…“
Das Antinomieproblem der Wahrheit
Florenskij war zweifelsohne ein Vielschreiber. 1918 entsteht sogar der Plan einer Publikation seiner Schriften in 19 Bänden. Der Plan wird allerdings nie verwirklicht. Wenn man aber nach dem Kern seines Denkens fragt, wird man an „Stolp i utverždenie istiny [Säule und Sockel der Wahrheit = Stolp]“ von 1914 verwiesen. Nicht umsonst gilt es als sein philosophisches und theologisches Hauptwerk. Es ruft sofort heftige Reaktionen hervor, die von starker Bewunderung bis zu vernichtender Kritik reichen.
Der Titel verweist auf 1 Tim 3,15, wo die Gemeinde (ekklesía) des lebendigen Gottes als „Säule und Sockel der Wahrheit“ (stýlos kai hedraíoma tes aletheías) bezeichnet wird. Der Untertitel lautet: „Versuch einer orthodoxen Theodizee in zwölf Briefen“.[3] Wie vieles an diesem Werk wegen seiner Eigenart missverständlich und irritierend ist, so auch dieser Untertitel. Florenskij versteht „Theodizee“ nicht im Leibnitzschen Sinn als die Rechtfertigung (der Güte) Gottes angesichts der Übel in der Welt. Es geht ihm vielmehr um die Rechtfertigung der göttlichen WAHRHEIT[4] angesichts der Sünde, der Gottlosigkeit, in der Welt. Zu dieser WAHRHEIT hat man Zugang durch die Erfahrung der orthodoxen „Kirchlichkeit“. Die Theodizee, als der theoretische Weg des Nachdenkens, vollzieht sich praktisch durch die Erfahrung von Kirchlichkeit. Diese Kirchlichkeit ist nach Florenskij „das neue Leben, das Leben im Geist“ (Stolp 7). Das Kriterium für die Richtigkeit dieses neuen Lebens im Geist ist die Schönheit. Dies erinnert an Dostojevskijs Motto „Mir spasjët krasotá“ [Schönheit rettet/erlöst die Welt]. Wer die orthodoxe Kirchlichkeit verstehen will, ist nach Florenskij auf die Erfahrung als den einzigen Weg angewiesen. „Die Orthodoxie wird gezeigt, nicht bewiesen“ (Stolp 8). Und diese Kirchlichkeit manifestiert sich ideell im Leben der Asketen und der Starzen der ostkirchlichen Traditionen. Im Grunde entwirft Florenskij eine Apologie der orthodoxen Kirchlichkeit, deren Wesen in der Erfahrung und im Erleben des spirituellen und liturgischen Lebens besteht und sich in den großen Gestalten (Asketen, Starzen) dieses Lebens manifestiert.
Die meisten Interpreten betrachten Florenskij als einen Philosophen und seinen Stolp als ein philosophisches Werk. Natürlich ist das nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Das Grundmotiv ist theologisch, auch wenn viele Quellen, aus denen Florenskij schöpft, der abendländischen Philosophie angehören (Platon, Aristoteles, Cusanus, Kant, Schelling u.a.). Nach eigener Auskunft orientiert er sich an Athanasios dem Großen (ca. 295-373).
„Das Dogma von der Wesenseinheit der Trinität, die Idee der Vergöttlichung des Fleisches, die Forderung des Asketentums, die Hoffnung auf den Geist des Parakleten und die Anerkennung der präexistenten, unvergänglichen Bedeutung der Schöpfung – das sind die Leitmotive des dogmatischen Systems des Athanasios, die so eng miteinander verwoben sind, dass man keines wahrnehmen kann, ohne darin alle übrigen zu entdecken. Auf diesen Grundmotiven ist auch das ganze vorliegende Buch aufgebaut, so dass man in der Tat sagen kann, dass es von den Ideen des hl. Athanasios des Großen ausgeht.“
(Stolp 349/50)
Gustav A. Wetter meint, dass es für das russische Bewusstsein charakteristisch ist, „wenn P. Florénskij die russische Philosophie und überhaupt das von der Orthodoxen Kirche des Ostens geprägte Denken als eine Philosophie der »Homousie«, der Wesenseinheit, dem westlichen Denken (er hat hier wohl den zu seiner Zeit vorherrschenden Neukantianismus vor Augen) als einer Philosophie der »Homöusie«, der Wesensähnlichkeit, entgegenstellt. Das dem Identitätsprinzip verhaftete westliche Denken bleibt eine Philosophie des Verstandes, es kann höchstens die Ähnlichkeit zweier Wesen erfassen, während das östliche Denken auf der Überwindung des Identitätsprinzips beruht und als Vernunftdenken die Wesenseinheit als Grundlage jeder Art von Vieleinheit zu denken vermag.“[5] Florenskijs philosophisches und theologisches Denken ist zutiefst vom Gedanken der Homousie geprägt.
Dieser Gedanke steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Florenskijs Religionsbegriff. In seinem Einführungswort bei der Verteidigung seiner Masterarbeit „Über die geistliche Wahrheit“ hatte er die Religion als „Meisterin der Rettung“ bezeichnet, ihre Sache sei es zu retten. „Sie errettet uns von uns selbst“, Sie macht uns – darauf läuft das Ganze hinaus – zur wirklichen Liebe erst fähig. Die Religion ist Rettung, weil sie „das Leben von uns in Gott und Gottes in uns. Für Florenskij ergeben sich daraus zwei Fragen:
- „Welche Gedankengänge muss meine Vernunft durchschreiten, um die Rettungsfähigkeit einer gegebenen Religion anzuerkennen?“, und
- „In welcher realen Umwelt muss ich verkehren und in welche Verbindung mit ihr muss ich eintreten, um mir die Rettung zueigen zu machen?“
Bei der ersten Fragen prüfen wir gleichsam Gott mit unserer Rationalität und finden heraus, dass er wirklich Gott ist, nämlich der Retter, die wirkliche Wahrheit. Bei der zweiten Fragen dagegen handelt es sich darum, uns selbst zu prüfen. Wir entdecken uns selbst als die „Lüge“, als die Unwahrheit, und dass wir folglich läuterungsbedürftig sind. Florenskij konzipiert zwei Wege von Religion:
- den Weg der Rechtfertigung der göttlichen Wahrheit nennt er Theodizee, es ist ein Weg des Aufstiegs (der Gnade in uns zu Gott);
- den Weg der Rechtfertigung des Menschen nennt er Anthropodizee, es ist ein Weg des Abstiegs der Gnade in unser Inneres.
Sein Buch behandelt den ersten Weg, also die Theodizee, als einen vorwiegend theoretischen Weg. „Dieser Weg beginnt im Rahmen der Ratio und geht dann aber über die Grenzen der Ratio hinaus, zu ihren Wurzeln“.
Darum kann Florenskij auch als Antwort auf die Frage „Worin besteht also das Heil/Rettung?“ die Antwort geben: „Das Heil/die Rettung besteht in der Konsubstantialität (Wesenseinheit) mit der Kirche“ (Stolp 343). Dies will Florenskij in seinem Werk „zeigen“. Darum ist es auch nicht systematisch aufgebaut, sondern Florenskij hat als genus litterarium, wie der Untertitel deutlich macht, die Briefform gewählt: „weil ich behaupten fürchte und fragen vorziehe“ (Stolp 134). Die Überschriften der insgesamt zwölf Briefe lauten folgendermaßen:
- „Zwei Welten“ [Dva míra],
- „Zweifel“ [Somnénie],
- „Dreieinigkeit“ [Trijedínstvo],
- „Licht der Wahrheit“ [Svet Ístiny],
- „Paraklet“ [Utéšitel’],
- „Widerspruch“ [Protivoréčie],
- „Sünde“ [Grech],
- „Gehenna“ [Gejénna],
- „Schöpfung“ [Tvar’],
- „Sophia“ [Sofíja],
- „Freundschaft“ [Drúžba] und
- „Eifersucht“ [Révnost’].
Ein Vorwort „An den Leser“ und ein „Nachwort“ rahmen das Ganze ein. Eine systematische Abfolge der einzelnen Briefe scheint es auf den ersten Blick nicht zu gebe. Und doch gibt es eine ganz bestimmte Systematik. Darauf verweist der Satz des Gregorios von Nyssa „He de gnósis agápe gínetai – Erkenntnis aber wird Liebe“, der dem Buch als Motto vorangestellt ist. Die einzelnen Briefe stellen die thematischen Knotenpunkte der theologischen Reflexion Florenskijs dar.[6]
Mit seiner Theodizee meint Florenskij ja einen Denk- bzw. Erkenntnisprozess, der von der antinomischen Wahrheit beginnt und zur homousianischen WAHRHEIT führt. Dabei macht der Mensch einen Transformationsprozess durch, den Florenskij als Transsubstantiation versteht, der den Menschen aus seinem Egoismus, seiner eigenmächtigen Selbstbefangenheit (Florenskij nennt sie „Sünde“, vgl. den siebten Brief) herausführt und zur Liebe (elfter und zwölfter Brief) befähigt. Der Mensch, sozusagen als aufrichtiger Wahrheitssuchender, findet die WAHRHEIT in der Kirche als der „Säule der Wahrheit“:
„Die Säule der Wahrheit ist die Kirche, die Glaubwürdigkeit, der geistige Satz von der Identität, die Askese, die Dreihypostatische Einheit, das Taborlicht, der Hl. Geist, die Keuschheit [Herzensreinheit], die Sophia, die allerheiligste Jungfrau Maria, die Freundschaft – und nochmals die Kirche.“
(Stolp 489)
Auf der Suche nach einer letzten Begründung von Erkenntnis sieht sich Florenskij einer fundamentalen Aporie des Denkens (Stolp 34) gegenüber: Im Rahmen seines ontologischen Symbolismus zeigt er, dass die rationalistische Wahrheit eine Antinomie (A ist A/A ist nicht A, Endlichkeit/Unendlichkeit, Gott/Mensch) ist. Die antinomische Strukturiertheit der Wahrheit macht den Kernpunkt des Skeptizismus eines Pyrrhon und des modernen Rationalismus aus;[7] das Antinomieproblem ergibt sich aber ontologisch aus dem Fragmentcharakter des Seins selbst (Stolp 160 und vgl. 483). „Für den Verstand ist die Wahrheit ein Widerspruch, und dieser Widerspruch wird manifest, sobald dieWahrheit eine worthafte Formulierung erhält. […] Die Wahrheit ist eine Antinomie und kann nur eine solche sein“ (Stolp 147). Psychologisch gesehen mündet der Skeptizismus in die Verzweiflung (otčájanie, Stolp 39). Diesen Skeptizismus kann man nur auf einer transrationalen Ebene überwinden. Die leere Selbstidentität des „A = A“, die egoistisch jedes Nicht-A ausschließt, muss durch eine konkrete Selbstidentität überwunden werden.
Florenskij schreibt dazu:
„Die selbst-beweisende und selbstbegründende Natur des Subjektes der WAHRHEIT des Ichs ist die Relation zu einem Er durch ein Du. Durch das Du wird das subjektive Ich zu einem objektiven Er, und im letzteren hat das Ich seine Bestätigung, seine Gegenständlichkeit als Ich… Die WAHRHEIT ist die Betrachtung seiner selbst durch den Anderen in einem Dritten: der Vater, der Sohn und der Geist. […] Die WAHRHEIT ist folglich eine einzige Wesenheit in drei Hypostasen. Nicht drei Wesenheiten, sondern eine einzige; nicht eine einzige Hypostase, sondern drei.“
(Stolp 48/49)
Mit „Wesenseinheit“ (griech. homousía) bezeichnet Florenskij in der athanasianischen theologischen Tradition die konkrete Einheit von Vater, Sohn und Hl. Geist (Stolp 58). Die Wesenseinheit ist für Florenskij Kriterium und Richtschnur zur Beurteilung aller Philosophien. Denn die Annahme der Homousie erst ermöglicht die Erkenntnis, dass die ganze Welt auf Gott ausgerichtet ist. Die Annahme der Idee der Homöusie (griech. homoiusía), also der Wesensähnlichkeit, führt unweigerlich in die Aporie der Antinomien, die Leben und Denken zerstören. Nur der kirchliche Glaube stellt Rettung bzw. Erlösung dar, in dem man sich in der Liebe von drei Dreieinigkeit ergreifen lässt.
Dieser Glaube ist keine Annahme dogmatisierter Wahrheiten, sondern die in der orthodoxen Kirchlichkeit geistlich erfahrene Trinität. In den Rahmen des Homousie-Gedankens gehören Florenskijs sophianische Reflexionen. Neben Vladimir Solov’ëv, Sergej Bulgakov und Jevgenij Trubeckoj wird Florenskij zu den wichtigsten russischen Sophiologen gezählt. Der Brief über die Sophia ist der längste aller Briefe. Im Unterschied zur ungeschaffenen Weisheit in Gott ist die geschaffene Weisheit das hypostatische Urbild der Schöpfung, das in der Mutter Gottes seinen höchsten Ausdruck gefunden hat. Mit dem Gedanken der Weisheit, der in der ostkirchlichen Liturgie eine so bedeutsame Rolle spielt, versuchen die „Sophiologen“ die Spaltung von Glaube und wissen, Kirche und Welt usw. zu überwinden.
Das Nachwort verweist noch einmal auf den Ausgangspunkt des Denkweges: „Es gibt zwei Welten“ (Stolp 483). Diese zwei Welten thematisierte schon der erste Brief, indem er unter Hinweis auf Mt 11 die Frage nach der Erkenntnis stellt, „und zwar nach der Mangelhaftigkeit der rationalen Erkenntnis und der Notwendigkeit der spirituellen Erkenntnis“ (Stolp 12). Gleichzeitig erinnert die Thematisierung der beiden Welten zweifelsohne an Augustins „duae civitates“, ohne dass Florenskij dies explizit macht. Wie bei Augustinus, so geht es auch bei Florenskij nicht um ein Diesseits, dem ein Jenseits entgegengesetzt wird. Bei Augustinus sind die beiden civitates „nämlich in dieser Welt ganz ineinander verschlungen und miteinander vermischt, bis sie durch das letzte Gericht geschieden werden – perplexae quippe sunt istae duae civitates in hoc saeculo invicemque permixtae, donec ultimo iudicio dirimantur“. Bei Augustinus stellen die beiden „civitates“ entgegengesetzte „Lebensformen“ dar:
„Fecerunt itaque civitates duas amores duo, terrenam scilicet amor sui usque ad contemptum Dei, caelestem vero amor Dei usque ad contemptum sui – Demnach wurden die zwei Staaten durch zweierlei Liebe begründet, der irdische durch die Selbstliebe, die sich bis zur Gottesverachtung steigert, der himmlische durch Gottesliebe, die sich bis zur Selbstverachtung erhebt.“
(Übersetzung: Wilhelm Thimme)
Entsprechendes gilt auch für Florenskijs beide Welten, die ebenfalls entgegengesetzte Lebensformen darstellen. Florenskij fährt dann fort:
„Und diese ganze Welt hier zerfiele in Widersprüche, wenn sie nicht mit Hilfe der Kräfte jener Welt lebte. In ihrer Stimmung herrschen gegensätzliche Gefühle, in ihrem Willen gegensätzliche Wünsche, in ihrem Denken gegensätzliche Gedanken. Antinomien spalten unser ganzes Wesen, unser gesamtes geschöpfliches Leben. Widersprüche überall und immer! Im Glauben dagegen, der die Antinomie des Bewusstseins bezwingt und sich einen Weg bahnt durch deren atemlähmende Schicht, gewinnt man ein Felsenfundament, von dem aus man an der Überwindung der Antinomien der Wirklichkeit arbeiten kann. Aber wie kommt man zu diesem Fels des Glaubens?“
(Stolp 483)
Die Antwort darauf ist der Weg der Askese, nämlich die Preisgabe der eigenmächtigen Selbstbefangenheit in der widergöttlichen Selbstbehauptung (Stolp 173), in der Läuterung des Herzens und in der Liebe (Selbsthingabe) als der Aufnahme des Anderen in sich (Stolp 215).
„Erkenntnis wird Liebe“ (Gregorios von Nyssa)
Trotz seiner umfassenden Kennntnisse ind Philosophie und Theologie sowie der neuesten Entwicklungen in Mathematik und Naturwissenschaften versteht er sich selbst als einen mittelalterlichen Menschen, der sogar in seinem 1922 publizierten Werk „Mnimosti v geometrii – Imaginäre Größen in der Geometrie“ den Versuch unternimmt, die geozentrische (aristotelisch-ptolemäisch-dantesche) Weltvorstellung des europäischen Mittelalters, wie sie seiner Meinung nach am vollendetsten in Dantes Divina commedia dargelegt ist, mit Hilfe der Relativitätstheorie neu zu begründen. Mit Überraschung liest man, dass Dante bereits die nichteuklidische Geometrie vorweggenommen habe. Florenskij war ein überzeugter Anhänger der Philosophie Platons und vehementer Kritiker Kants. Mit seiner Suche nach ganzheitlichem Denken und einer ganzheitlichen Weltanschauung steht er nicht nur dem Denken Goethes nahe, dessen Werk er gut kannte, sondern bewegte sich auch in der bis heute in Russland mächtigen Strömung der Slawophilen, ohne sich selbst als einen solchen zu bekennen. Florenskijs Werk ist gegen den modernen Positivismus und Rationalismus gerichtet, die den christlichen Glauben ernstlich bedrohen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Florenskijs antimodernistische Gedanken heute nicht selten als durchaus attraktiv empfunden werden.
4.1. Zusammensein von Gott und Welt
Die Geschöpflichkeit der Welt lässt ein Zusammensein von Gott und Welt/Mensch wegen der offensichtlichen Inkompatibilität der beiden Realitäten als unmöglich erscheinen. Was im Westen nicht als Problem gesehen wurde, beschäftigt das östliche Denken von Anfang an. Florenskij verweist auf Aristoteles, der behauptet habe, ein Zusammensein (Liebe) sei zwischen „heterogenen Wesen“ nicht möglich (Stolp 279). Während das westliche Denken auf die Dreifaltigkeit Gottes verweist, um die Möglichkeit eines Zusammenseins von Gott und Welt zu erklären: die Welt ist von vornherein in die innergöttliche Beziehung von Vater, Sohn und Hl. Geist hineingeschaffen, eine Realität, die durch die Inkarnation offenbar wird.
Florenskij drückt diese Realität durch den altkirchlichen, auf Athanasios den Großen zurückgehenden Begriff der Homousie aus. Der Begriff meint eigentlich ursprünglich die „unvermischte und ungeteilte“ (griech. asygchútos, russ. neslítno und griech. achorístos, russ. nerazdelímo) Einheit von göttlicher und menschlicher Natur in Christus („hypostatische Union“).[8] Die chalkedonensische Definition der hypostatischen Union bzw. Homousie ist das zentrale Stück christlicher Trinitätslehre und unterscheidend Christliche. Ohne sie lässt sich die Gott-Mensch-Beziehung nicht von Mythologie unterscheiden.[9] Florenskij dehnt den Begriff der Homousie auch konsequent auf das Zusammensein von Gott und Welt aus. Er denkt sich die Beziehung zwischen Gott und Mensch als hypostatische Union. Gottes Liebe zur Schöpfung, die von Gott als Liebe ausgeht, ist nach Florenskij nur denkbar, wenn man die Gottheit als dreifaltig denkt (Stolp 279-80) Und darin besteht für ihn das Heil/die Rettung des Menschen als zentrales Kerygma der orthodoxen Kirche. Für Florenskij ist homousianisches Denken, das die Logik des Verstandes sprengt, zentral; darum kritisiert er entsprechend homöusianische Einstellungen (Homöusie = Wesensähnlichkeit), die auf Mythologie und Magie hinauslaufen.Was viele Leser übersehen, ist, dass Florenskij auch den modernen Naturwissenschaften eine homöusianische Geisteshaltung vorwirft.
4.2 Die christliche Agape als kirchliche Existenzform
Florenskijs Überlegungen zielen, wie das Robert Slesinski recht gut in seiner Arbeit über Florenskijs Hauptwerk herausstellt, auf eine Metaphysik der Liebe (Agape) und der Freundschaft.
Die Reihenfolge der zwölf Briefe orientiert sich an diesem Weg. Dieser Weg führt aus der Sünde (als Spaltung und Zerfall der Person, weil widergöttliche Selbstbehauptung) durch die Läuterung des Herzens zur Einigung des inneren Lebens der Person, welches die Liebe ist (Stolp 173). Und die Liebe ist die Aufnahme des Anderen in sich (Stolp 215). In diesem Zusammenhang mögen der siebte (über die Sünde) und der achte Brief (über die Gehenna) ob ihrer z. T. obskuren Berichte und Überlegungen einen modernen Leser besonders irritieren. Man sollte dabei Florenskijs Kerngedanken nicht aus dem Auge verlieren. Sünde sieht Florenskij nicht in erster Linie als moralische Verfehlung, sondern als existentielle Haltung eigenmächtiger Selbstbefangenheit, welche die Person letztlich in ihrem Personsein zerstört. Die Überlegungen zur Gehenna (Hölle) sind bei Florenskij durch die Kritik an einer apokatastatischen Verharmlosung bzw. Relativierung der Ernsthaftigkeit menschlicher Handlungen motiviert. Den Versuch Florenskijs einer anderen Bestimmung der Apokatástasis-Lehre des Origenes durch die Unterscheidung der Person (die gerettet wird) und ihrer Taten (die verurteilt werden) mag man dabei als nicht sehr gelungen ansehen. Der Auszug aus der widergöttlichen Selbstbehauptung durch die Läuterung des Herzens befähigt zur Liebe, die als innertrinitarische Relation auch das Wesen der Gottheit darstellt.
Florenskij unterscheidet agápe (Nächstenliebe) und philía (Freundschaft) als die beiden Grundaspekte der Kirchlichkeit. Agape bestimmt er als „Brüderlichkeit“. Sie wird im Mitmenschsein, in der tätigen Nächstenliebe konkret. Davon unterscheidet er die Freundschaft: „Für den Christen ist jeder Mensch ein Nächster, aber durchaus nicht jeder ein Freund“ (Stolp 412). Zur Freundschaft als der höchsten Form der Liebe gehört für Florenskij unbedingt die Eifersucht, die er als eine Tugend versteht (Stolp 482). Die Eifersucht ist gleichsam der Motor, der das Streben nach der Säule und dem Sockel der Wahrheit realisiert und durchhält.
„Die Sophia (die wahre KREATUR bzw. die Kreatur in der WAHRHEIT) ist vorläufig ein Hinweis auf die verklärte, vergeistigte Welt, die für anderen unsichtbare Manifestation des Himmlischen im Irdischen. Diese Offenbarung vollzieht sich in der persönlichen, aufrichtigen Liebe zweier Personen, in der Freundschaft, wenn dem Liebenden vorläufig, ohne Askese, die Überwindung der »Selbst-Identität« geschenkt wird, nämlich die Aufhebung der Grenzen des eigenen »Ichs«, das Heraustreten aus sich selbst und das Finden des eigenen »Ichs« im »Ich« des anderen, des Freundes. Die Freundschaft als geheimnisvolle Geburt des Du ist jene Umgebung, wo die Offenbarung der Wahrheit ihren Anfang nimmt.“
(Stolp 391-2)
„Die Säule der Wahrheit ist die Kirche… Um zur Wahrheit zu kommen, muss man sein eigenes Selbstsein aufgeben, muss man aus sich herausgehen; aber das ist für uns entschieden nicht möglich, denn wir sind Fleisch [d.h. geschaffen]. […] Die drei-einige Wahrheit selbst macht für uns das, was für uns unmöglich ist. Die dreihypostatische Wahrheit selbst zieht uns zu sich heran.“
(Stolp 489)
Mühldorf am Inn, im Juli 2015
[1] SWR-Sendung am 21.06.1998, 12:05 Uhr, Autor: Gerhard Adler.
[2] Gustav A. Wetter, Ursprünge und erste Entwicklung der russischen Philosophie – Gedanken zu einer Philosophie ihrer Geschichte, in: Geschichte der philosophischen Traditionen Osteuropas, herausgegeben von Helmut Dahm und Assen Ignatow, Darmstadt 1996, 3-43, hier S. 3.
[3] Pavel Florenskij, Stolp i utverždenie istiny, Moskau 1914, 80.
[4] Xavier Tilliette, Schelling Biographie, Aus dem Französischen von Susanne Schaper, Stuttgart 2004, 480f.
[5] Der Neuplatonismus ist eine „spätantike philosophische Geistesströmung, die mit Ammonios Sakkas (gest. 242) begann, ihre Höhepunkte in Plotin, Jamblichos und Proklos erreichte und schließlich durch Augustinus und Ps.-Dionysios Areopagita ihre christliche Wendung fand.“
[6] Es wäre einer weitergehenden Überlegung wert, dass – wie mir scheint – jeweils zwei der Briefe thematisch zusammengehören: die zwei Welten und der Zweifel, die Dreieinigkeit und das Licht der Wahrheit, der Paraklet und der Widerspruch, die Sünde und die Gehenna, die Schöpfung und die Sophia, die Freundschaft und die Eifersucht.
[7] Florenskij bezeichnet die Wahrheit auch als ein selbst-kontradiktorisches Urteil (Stolp 147).
[8] Die Bedeutung der christologischen Formel, die auf dem Konzil von Chalkedon 451 gefunden wurde, legt der russische Kirchenhistoriker Anton V. Kartašëv (1875-1960) unübertroffen klar dar; vgl. Vselenskie sobory, Moskau 1994 (Paris 1963), 261-285. Kartašëv emigrierte 1920 nach Frankreich und war lange Jahre Professor an dem orthodoxen theologischen Institut in Paris. Ab den 1990er Jahren begann man seine Bücher auch in Russland zu drucken.
[9] Leider sehen heute viele christliche Theologen völlig problemlos die Wechselbeziehung zwischen Gott und Mensch und glauben dann natürlich auch ganz konsequent, auf die altkirchliche Trinitätslehre verzichten zu können. Vgl. Knauer, Der Glaube kommt vom Hören, Freiburg 61991, 128, Anm. 164.