IX Anlage 2 – Materialien zur Vorlesung

Unter den Entwurfsnotizen Florenskijs zu diesem Kapitel sind zwei Seiten mit dem Vermerk „zu S. 24“, was sich vermutlich auf den Schluss von Florenskijs Handschriftmanuskript dieser Vorlesung bezieht. Da sie eigenständig von Interesse sind, werden sie hier beigefügt. (Anm. d. russ. Hrsg.)


9-2-01 Materialien zur Vorlesung IX

1

„Ich ermahne euch also, Brüder und Schwestern, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen“ (Röm 21,1 f.), „als euren geistigen Gottesdienst, — τὴν λογικὴν λατρείαν ὑμῶν“. „Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens – ἀλλὰ μεταμορφοῦσθε τῇ ἀνακαινώσει τοῦ νοὸς ὑμῶν “ (ebenda, 2). Nicht um den Dienst mit dem Wort geht es, sondern um den vergeistlichten Leib: Er ist geistig.

2

„Verlangt wie neugeborene Kinder nach der unverfälschten, geistigen Milch – τὸ λογικὸν ἄδολον γάλα ἐπιποθήσατε  – damit ihr durch sie heranwachst und Rettung erlangt! Denn ihr habt gekostet, wie gütig der Herr ist. (1 Petr 2,2 f.)

3

„Dass unser menschenliebender Gott, der sie (d. h. die Hll. Gaben) auf Seinen heiligen überhimmlischen und geistigen Altar aufgenommen hat… – εἰς τὸ Ἅγιον, καὶ ὑπερουράνιον καὶ νοερὸν αὐτοῦ θυσιαστήριον…“ (Ektenie der Chrysostomus-Liturgie vor dem „Vater unser“).

4

„Auch bringen wir Dir diese geistige Anbetung dar für die im Glauben Ruhenden, die Vorväter, Väter… – προσφέρομέν σοι τὴν λογικὴν ταύτην [καὶ ἀναίμακτον] λατρείαν … (Stilles Gebet der Chrysostomus-Liturgie nach der Wandlung und vor dem „Würdig ist es“). Unter diesem ταύτην – der geistigen Anbetung – sind die Hll. Gaben zu verstehen. Diese sind stofflich, doch sie sind geistig. NB.

5

Nach den Worten des heiligen Andreas von Kreta wird Christus zwar in der Eucharistie geopfert ἐν ἀντιτύποις συμβόλοις und verzehrt als Brot, ὡς ἄρτον, aber Er ist ὡς ἀμνόν νοούμενον – wie ein erkennbares Lamm: Wir verzehren Ihn, den Herrn, in Gänze (ὅλον αὐτόν), und er geht wesentlich (οὐσιωδώς) in uns ein, und nicht φανταστικώς und εἰκονικώς (Migne, Bd. 140, Spalte 156).

6

Nach den Worten von Lev Bolgarskij bringen wir ein „gedankliches Lamm“ zum Opfer dar – τὸν ἀμνόν νοητόν, ein erkennbares, transzendentes (geistiges, unseren Herrn J. Chr., wie die Juden das Pessachlamm opferten).

7

„Bewahre mich, Deinen (der Gottesmutter) Knecht, unbefleckt und ohne Makel, damit mich vollkommen heilige der Empfang der geistigen Perle – ὅπως εἰσδεχόμενος τὸν νοητὸν μαργαρίτην ἁγιάζωμαι“ (Gebet vor der Hl. Kommunion, 4. Ode des Kanons, 4. Troparion).

8

Deshalb, weil der Kult geistig ist, wenn auch stofflich, kann er unseren Verstand nähren: „Erlöser, heilige meinen Verstand, die Seele, das Herz und auch den Leib“ (ebenda, 6. Ode, 1. Troparion).

9

Und dasselbe:

Der Gottesleib vergöttlicht und ernährt mich: Den Geist vergöttlicht Er, und wunderbar ernährt Er den Sinn – Θεοῦ τὸ σῶμα καὶ θεοῖ με καὶ τρέφει θεοῖ τὸ πνεῦμα, τὸν δὲ νοῦν τρέφει ξένως. (Ebenda, Stichera ganz am Ende der Gebete).

9-2-02

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Welch großes und ehrfurchterregendes Schauspiel ward heute gesehen: Vom Himmel herab schien die mit Sinnen wahrnehmbare Sonne, von der Erde auf dem Berge Tabor aber die unvergleichliche geistliche (!) Sonne der Gerechtigkeit – Ὡς μέγα καί φοβερόν, ὡράθη θέαμα σήμερον! ἐξ οὐρανοῦ αἰσθητός, ἐκ γῆς δέ ἀσύγκριτος, ἐξήστραψεν ἥλιος τῆς δικαιοσύνης, νοητός ἐπί τοῦ ὄρους Θαβώρ.

(Zweiter Kanon am Fest der Verklärung, 6. Ode, 1. Troparion[1]; vgl. Mal 4,2)

Der Kanon wurde im 8. Jh. vom heiligen Johannes von Damaskus verfasst.

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Kommt ihr Völker, und vertraut mir, lasst uns eilen auf den heiligen überhimmlischen Berg, geistig einzutreten in die Stadt des lebendigen Gottes, mit den Augen zu schauen den nicht erschaffenen Gott, den Vater und den Geist, der im einziggeborenen Sohne erstrahlt. – Δεῦτε μοι πείθεσθε λαοί, ἀναβάντες εἰς τό ὄρος τό Ἅγιον, τό ἐπουράνιον, ἀΰλως στῶμεν ἐν πόλει ζῶντος θεοῦ, καί ἐποπτεύσωμεν νοΐ θεότητα ἄϋλον, Πατρός καί Πνεύματος, ἐν Υἱῷ μονογενεῖ ἀπαστράπτουσαν.

(Ebenda, 9. Ode, 2. Troparion[2])

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Ὅπως ὁ φιλάνθρωπος Θεὸς ἡμῶν, ὁ προσδεξάμενος αὐτὰ [τα τίμια δώρα] εἰς τὸ Ἅγιον καὶ ὑπερουράνιον καὶ νοερὸν αὐτοῦ θυσιαστήριον.[3]

(Ektenie der Chrysostomus-Liturgie vor dem „Vater unser“, Εύχολόγιον, εν Ρωμη 1754, σ. 55)

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„Auch bringen wir Dir diese geistige [russ. slovesnuju] Anbetung dar für die im Glauben Ruhenden, die Vorväter, Väter…“ – Ἔτι προσφέρομέν σοι τὴν λογικὴν ταύτην [καὶ ἀναίμακτον] λατρείαν

(Stilles Gebet der Chrysostomus-Liturgie nach der Wandlung und vor dem „Würdig ist es“) (ebenda, S. 53)[4].

Die Hll. Gaben werden geistige Anbetung genannt – ταύτην – für die im Glauben Ruhenden. Folglich kann nicht nur ein Gedanke, ein Wort geistig sein, sondern auch der Leib Christi, Stoffliches.

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Geistig, λογικός – Röm 12,1; 1 Petr 2,2.

Palmsonntag, Apodipnon, 1. Ode, 1. Troparion[5]

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Kanon vor der Heiligen Kommunion, 4. Ode, 4. Troparion – „ὅπως εἰσδεχόμενος τὸν νοητὸν μαργαρίτην ἁγιάζωμαι“.

Ebenda, 6. Ode, 1. Troparion – „geistige Perle“.

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Kanon an das Heilige Kreuz, 7. Ode, 2. Troparion – „geistige Augen“.

Ebenda, Gebet – „das vor dem geistigen Wolf bewahrt“[6].

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Kanon an den Schutzengel [des Mönchs Ioann Černonožij][7], 3. Ode, auf „Ehre Dir“ – „im Geiste auf [die Erde] schauen“
Ebenda, 6. Ode, auf „Jetzt, und…“ – „mein erdverhafteter Geist“.
Vgl. ebenda, 7. Ode, 4. Vers – „sonnenklarer Geist“.
Ebenda, 7. Ode, 6. Vers – „geistige Stufenleiter“

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Akathistos an unseren gütigsten Herrn Jesus Christus, Ikos 8 – geistige Eilfertigkeit“ (im subjektiven Sinne, dagegen ist „geistige Augen“ im objektiven Sinne). Das Gleiche im Ikos 11 – „mein Geist.“[8]

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Kanon an den Schutzengel  [des Mönchs Ioann Černonožij], 1. Ode, auf „Ehre…“ – „Geist“ (schwer zu beurteilen, ob subjektiv oder objektiv)
Ebenda, 3. Ode, auf „Ehre…“ – „geistig“.
Ebenda; auf „Jetzt, und…“ – „Geist“.
Ebenda, 6. Ode, auf „Jetzt, und…“ – „Geist … des irdischen und Besitzstrebens“.
Ebenda, 7. Ode, 4. Vers – „froher Geist“.
Ebenda, auf „Jetzt, und…“ – „geistige“ (objektive Bedeutung).
Ebenda, 8. Ode, 1. Vers – „Geist“ (subjektiv).
Ebenda, 9. Ode, 4. Vers – „(meines) Geistes“.

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[Dank-]Kanon an die Allheilige Gottesmutter[9], 7. Ode, 1. Vers – „Sei gegrüßt, Wagen der geistigen Sonne“ (woher stammt dieses bemerkenswerte Bild? Gibt es hierzu vielleicht Parallelen? Vollkommener Platon!).


[1] Liturgische Kanones in griechischer, slawischer und russischer Sprache, [Bogoslužebnye kanony na grečeskom, slavjanskom i russkom jazykach], 2. Buch, Sankt Petersburg 1855, S. 35

[2] Ebenda, S. 40

[3] (griech.) „Dass unser menschenliebender Gott, der sie auf seinen heiligen überhimmlischen und geistigen Altar aufgenommen hat…“, siehe oben, unter Nr. 3 in diesem Abschnitt.

[4] LIT S. 150 (dt.  OBKD S. 51)

[5] FT S. 393

[6] PGB S. 224, 226

[7] Ebenda, S 171, 173 f. (dt.: Maltzew, A.: Andachtsbuch, S. 462 ff.)

[8] Ebenda, S. 140 f. (dt.: ebenda, S. 293 ff.)

[9] Ebenda, S. 156 (dt.: ebenda, S. 389)