Anthropodizee,  Heilung und Heiligung,  Kult und Symbol

2-4-04 Gedächtnis. Mysterien.

Gedächtnis. Mysterien. δέπας ἀμφικύπελλον[1].

In den orphischen Mysterien dienten zwei Becher (κρατήρ) und ein Spiegel als Symbol für den Fall und die Erneuerung der Seele. Der Genuss des Tranks des Vergessens aus dem ersten Becher war das Zeichen dafür, dass die Seele in der Schau der Sinneswelt, welche sich wie in einem Spiegel in ihr reflektiert, von deren verführerischen Bildern abgelenkt wird, die Erinnerung an das Überirdische verliert und in die Fesseln des Körpers hinabsinkt. Der Genuss aus dem anderen gab dagegen gewissermaßen das Gedächtnis zurück und gewährt die Wiedergeburt der Seele für die verlorene Seligkeit. Siehe Creuzer, IV, 130.

(P. Miloslavskij, Die antike heidnische Lehre von der Seele, die Seelenwanderungen und -migrationen und ihre Spuren in den ersten Jahrhunderten des Christentums)[2]

Ist hier etwa die Rede nicht von zwei Bechern, sondern von einem Doppelbecher, „ἀμφικύπελλον δέπας?

Vergleiche die zwei Quellen Puškins[3].


[1] wörtl.: doppelhenkliger Becher; zuerst bei Homer belegt. Allerdings meint Florenskij die ebenfalls so bezeichnete Form eines am Griff verbundenen Doppelbechers, wie von ihm skizziert.
Eine Abbildung findet man etwa bei Rambach, Jörg: Die Ausgrabung von zwei mittelhelladisch I-zeitlichen Grabtumuli in der Flur Kastroulia bei Ellinika (Alt-Thouria) in Messenien. In: Ancestral Landscape. Burial mounds in the Copper and Bronze Ages, Proceedings of the International Conference held in Udine, May 15th-18th 2008. Lyon 2012. S. 471):

[2] Miloslavskij, P.: Die antike heidnische Lehre von der Seele, die Seelenwanderungen und -migrationen und ihre Spuren in den ersten Jahrhunderten des Christentums [Drevnee jazyčeskoe učenie o duše, o stranstvovanijach i pereselenijach duš i sledy ego v pervyje veka christianstva], Kazan 1873, S. 183, Fußnote 1.

[3] vermutl. ein Verweis auf eine Stelle in „Ruslan und Ljudmila“, 6. Lied, in der von zwei Quellen die Rede ist, einer „lebendigen“ und einer „toten“:

И в той долине два ключа:
Один течет волной живою,
По камням весело журча,
Тот льется мертвою водою;

С двумя кувшинами пустыми
Предстал отшельник перед ними;
Прервали духи давний сон
И удалились, страха полны.
Склонившись, погружает он
Сосуды в девственные волны;
Наполнил, в воздухе пропал
И очутился в два мгновенья
В долине, где Руслан лежал
В крови, безгласный, без движенья;
И стал над рыцарем старик,
И вспрыснул мертвою водою,
И раны засияли вмиг,
И труп чудесной красотою
Процвел; тогда водой живою
Героя старец окропил,
И бодрый, полный новых сил,
Трепеща жизнью молодою,
Встает Руслан, на ясный день
Очами жадными взирает,
Как безобразный сон, как тень,
Пред ним минувшее мелькает.

http://pushkin-lit.ru/pushkin/text/ruslan-i-lyudmila/pesn-shestaya.htm

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