Kult und Symbol

7-4-03 Kult. Osten

[Nach dem 20. Oktober 1922]

„Osten“, מזרח (mizrach) – eigentlich „Aufgang“ oder מזרח שמש (mizrach sämäs) „Sonnenaufgang“ (im Gegensatz zu „Westen“[1], מערב (ma’arav): vgl. Jes 41,2.25; Ps 50/51,1, Ps 103/104,12) und קדם (qädäm, buchstäblich: vorwärts); so wurde jene Himmelsrichtung genannt, wohin die Bewohner des Ostens beim Gebet ihren Blick wendeten, so dass der Westen zur „hinteren“ Seite wurde, אח רד, der Norden lag „zur Linken“, שמאל, der Süden „rechts“, ימיך (Ijob 23,8 f.; Gen 13,4; 28,4; Num 19,6). Die Sonnenanbeter in Jerusalem, von denen der Prophet Ezechiel berichtet, wendeten ihr Gesicht dem Osten zu, den Rücken dem Allerheiligsten (Ez 8,16, vgl. Sukka V,5), während die Hebräer im Exil beim Gebet ihren Blick dem Tempel zuwendeten, obwohl dieser nach Westen lag (1 Kön 8,33.44 ff.; Dan 6,11; Berakoth IV,5, Tora, Debarim XXIX). Für alle aber, die im Westen lebten, war der Osten jenes Land, wohin sie sich im Gebet richteten (vgl. Qibla im Artikel „Mohammed“ (in der Hebräischen Enzyklopädie). Der Osten ist jener Teil der Welt, in den der Herr das Paradies gesetzt hat (Vita Adam et Evae, XVIII,22, Apocal. Mosis (lat.), I; Septuaginta und Gen 3,24). Der Didascalia zufolge sind die Gebete mit dem Blick nach Osten auszusprechen, weil Gott „vom Himmel nach Osten herabstieg“, „denn in jenem Land liegt das Paradies“ (Apos. Const. II,52). Dies war auch den frühen Christen vorgeschrieben (siehe Clemens von Alexandrien, Stromata VII,7; Gottesdienst und die Kanones und Lehren der Apostel 1; Tertullian, Apologeticum I 6). Der uralte Brauch, der auf Urzeiten zurückgeht und mit dem Glauben daran verbunden ist, dass ein Verstorbener in das Reich des Hades im Westen hinabgeht, im Osten aber mit der Sonne zusammen wieder aufsteigt, führte dazu, dass man den Verstorbenen mit dem Gesicht nach Osten bestattete.

Hebräische Enzyklopädie [Evrejskaja ėnciklopedija] unter der Gesamtredaktion von L. Katznelson und Baron D. G. Günzburg Bd. V (Bressuire – Hadassa), Ausgabe der Gesellschaft für wissenschaftliche hebräische Veröffentlichung und der Compagnie Brockhaus-Efron, Sankt Petersburg 1910, Spalte 812 f.

(Vgl. [Edvard B.] Taylor, Primitive culture, 1874, Bd. 2 S. 422 ff. (Online en); vgl. die russische Übersetzung.)

Vgl. [Emil] Schürer, Geschichte des jüdischen Volks im Zeitalter Jesu Christi Bd. 2, II, 453, 3. Aufl. 1898 (PDF de), Lpz.; Löve, Gesammte Schriften IV,36 […]; [Dr. William] Smith, Dictionary of the Bible (J.E., V [IV?] 2829).


[1] Im Russischen haben die Worte Westen/Osten den Sinngehalt von Sonnenaufgang/Sonnenuntergang.

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