7-2-02 Die Noumenalität der Feste
(In Analogie zur Eucharistie) stellt sich bei uns unausweichlich stets die Frage: Ersteht nicht wieder und wieder in der „lichtglänzenden Nacht“[1] des Heiligen Osterfestes Christus Gott Selbst auf, so wie Er auch in der Eucharistie wieder und wieder zum Opfer dargebracht wird? Oder anders – woher kommt jene geistliche Erhebung, allgemeine Freude und Begeisterung, von denen alle und jeder von uns an diesem Tag erfasst werden? Und was bedeutet dieser Aufruf der Kirche:
Lasset uns reinigen die Gefühle, und wir werden Christus in dem unnahbaren Licht der Auferstehung strahlen sehen, und deutlich Ihn rufen hören: „Seid gegrüßt!“, wir, die wir das Siegeslied singen?[2]
Wie muss diese stete Behauptung verstanden werden, dass gerade „heute“ Christus aufersteht und gerade „dieser“ heutige Tag der „hochberühmte und heilige Tag, der einzige, der König und Herr der Sabbathe, … das Fest der Feste und der Feiertag der Feiertage“[3] ist, weshalb alle eingeladen werden, durch die Feier erleuchtet zu werden und einander zu umarmen (Sticheron des Osterfestes)[4]? Wenn das Osterfest nur ein Gedenken an die Auferstehung ist und folglich nur ein Erinnern durch uns, die Menschen, was bedeutet dann der Aufruf der Kirche zur Freude an alle Geschöpfe? „Die Himmel mögen sich freuen, die Erde jubeln, die ganze Welt, die sichtbare und die unsichtbare, feiern. Denn Christus ist erwacht. Ewige Freude!“[5] Was bedeutet die Versicherung „nun ist Alles erfüllt mit Licht, Himmel und Erde und die Unterwelt“[6]… (die Auferstehung in der Ewigkeit schauen) …
Wie erklärt sich letztlich die Tatsache, dass die Kirche unmittelbar nach der Osterwoche (am Radoniza-Fest) und vor dem Pfingsttag das Gedenken der Verstorbenen vollzieht? Ja, natürlich vollzieht sich dieses Gedenken nur kraft des Glaubens daran, dass Christus wirklich, gerade jetzt, auferstanden, und deshalb das Gebet für die Verstorbenen nun besonders wirksam ist. Der ganze Gottesdienst am Pfingstsamstag beruht auf der Idee der Zerstörung der Ketten des Todes durch den Herrn… Nicht umsonst empfinden es Christen als Glück, an diesem Lichten Fest zu sterben. Der Begräbnisritus… „die wir alle in Christus auferstehen…“, „in der Hoffnung auf die Auferstehung…“[7] usw.
Das Gebet für die Verstorbenen ist in dieser Zeit besonders wirksam. Gebet am Abend des Pfingstsonntags: „Der Du auch an Deinem hocherhabenen und heilbringenden Feste das Flehen um die, welche im Hades gehalten werden, anzunehmen geruhtest“[8]. An diesem Tag ist Gott besonders nah: „Du Gebieter, der Du … an diesem Tag uns das Geheimnis… offenbart hast“[9] und andere Stellen des Pfingstgottesdienstes, wo dieser Tag betont wird.
[1] Kanon des Osterfestes, Ode 7, 3. Vers, in: BT S. 7 (dt.: FBT S. 684)
[2] Ebenda, S. 3 (Ode 1, 1. Vers) (dt.: S. 672)
[3] Ebenda, S. 7 (Ode 8, Irmos) (dt.: S. 685)
[4] Ebenda, S. 9 (Stichera auf „Ehre… jetzt…“) (dt.: S. 697)
[5] Ebenda, S. 3 (Ode 1, 2. Vers) (dt.: S. 672)
[6] Ebenda, S. 3 (Ode 3, 1. Vers) (dt.: S. 674)
[7] TREB S. 154, 158 (Die Zitate sind dem Ritus beim Begräbnis verstorbener Priester entnommen, dt. in: Maltzew, A.: Begräbniss-Ritus und einige specielle und alterthümliche Gottesdienste der orthodox-katholischen Kirche des Morgenlandes, Berlin 1898, S. 182)
[8] Drittes Gebet der Kniebeugung, in: BT S. 259 (dt.: FBT S. 921)
[9] Ebenda