7-1-01 Katholizismus und Rom
14. November 1909, Sergiev Posad
Wenn ich in der Kirche das vom heiligen Ambrosius von Mailand verfasste „Dich, Gott, loben wir, Dich, Herr, bekennen wir…“[1] höre, dann stelle ich mir das Kolosseum vor und höre die schweren Schritte der Kohorten, das Scheppern der eisernen Waffen. Ein wahrhaft römischer Gesang – eisern, abgehackt, geradlinig, ehrlich, von religiöser Erhebung durchdrungen, jedoch ohne Exaltiertheit, ohne Theologie, ohne philosophische und scholastische Feinheiten, ausdrucksvoll durch das Fehlen von Rhetorik und Schmuck. Im Vergleich zu den „Wortverzweigungen“ der „ausgedehnt gedichteten Lieder“, welche die Griechen „weben“[2], wird der Unterschied dieses militärischen Liedes dazu erstaunlich deutlich: kämpferische, wache, kraftvolle Stimmung, doch am Grunde dieser Kraft tiefe Demut vor Gott, das Bewusstsein von der Notwendigkeit Seiner Hilfe; Stolz, jedoch nicht gegen Gott – ein großartiger Löwe, der vor Gottes Joch sein Haupt beugt.
[1] Siehe: Danksagung für die Gewährung des Erbetenen und für jede göttliche Wohltat; in: Ordnung der Gebetsgesänge [Posledovanie molebnych penij], Moskau 1905, S. 45 f. (dt. TREB S, 84 ff.)
[2] Vergl. den Irmos der 9. Ode aus dem in Jamben geschriebenen Kanon des Mönches Johannes, im Weihnachtsgottesdienst, in: MEN Dezember, S. 291 (dt. S. 636: „denn, Jungfrau, zu ersinnen [kirchenslawisch: weben], ist gar schwer, aus Liebessehnsucht Lieder, die in Harmonie Zusammenklingen…“